Nodachi Jigen Ryu - Ein Erfahrungsbericht und Rückblick in die Zeit der Samurai

Ich befinde mich in Japan im Jahre 2018. Hmm…. Ist das korrekt? Nicht ganz, denn heute wird sich der Tag anfühlen, als ob die Zeit stehen geblieben ist. Stehen geblieben in der Zeit, in der das Training des Samurai’s dem Schlachtfeld galt und der erste Hieb über Leben und Tod entscheiden konnte. Naja, ganz so der Vergangenheit entsprechend wird der Tag natürlich nicht werden, jedoch überraschungsreich auf jeden Fall.

Nodachi Jigen Ryu - Ein Erfahrungsbericht und Rückblick in die Zeit der Samurai

Ein neuer Tag in Südjapan (Miyazaki) beginnt. Ich hatte die grosse Ehre unter der Gastfreundschaft eines ehemaligen Mitschülers aus meiner neuseeländischen Sprachaufenthaltszeit zu hausen. Eine kleine bescheidene Wohnung, ausgestattet mit allem japanischen Gadgets, die man zum Leben benötigt. Ja, ich war mehr als verwundert als ich festgestellt habe, dass ich in dieser Wohnung für die nächsten paar Tage alleine hausen werde. Ein sehr grosszügiges Angebot das man einem Japaner besser nicht abschlagen sollte, insbesondere in Aussicht auf den heutigen Tag, den ich sonst so nie erlebt hätte. Ein Tag zu Besuch bei einer der ältesten Schulen in Südjapan, dem Nodachi Jigen Ryu Stil. Jedoch bevor es losgeht haben wir noch eine grössere Autofahrt nach Miyakonojo vor uns.

 

Die Anreise

Bei dieser tropischer Hitze und einer Luftfeuchtigkeit von fast 100%, ist eine klimatisierte Autofahrt äusserst entspannend. Noch nie war ich so dankbar, dass mir eine Klimaanlage mitten ins Gesicht pustet. Das kommende 3 stündige Training würde bei dieser Hitze alles andere als ein Klacks werden, und da spreche ich nicht nur vom Klima ..schmunzel…
Am Zielort Shimazu Museum angekommen steigen wir aus dem Wagen und lassen die Umgebung auf uns wirken. Abgesehen vom Parkplatz und ein paar Häusern drumherum, fühlte es sich an wie im feudalen Japan. Ein wunderschönes japanisches Anwesen mit Garten erscheint vor meinen Augen, es gleicht einem alten japanisches Samurai Anwesen bestehend aus mehreren Gebäuden. Dabei handelte es sich zum einen um ein Museum für japanische Geschichte, ein Restaurant das so aussah, als ob gerade ein paar Samurais hier gegessen hätte. Eine authentischere Umgebung könnte man sich nicht vorstellen, ich freue mich jetzt schon auf das Essen. Nebenan stehen noch zwei kleiner Gebäude die als Austellungsräumlichkeiten genutzt werden. Unglaublich idyllisch und ich stand mitten drin, mit Blick auf einen grösseren unbekannten Komplex.

 

Im Allgemeinen schien alles etwas surreal. Die Bäume und Büsche schienen aus einem Fantasiefilm entnommen zu sein und gaben dem Umfeld noch die letzte Note.
Insbesondere der abgebildete Baum schien wie aus einer anderen Dimension gewachsen zu sein. Ein wahrlich schönes Kunstwerk das bestimmt nicht ganz ohne Hilfe so gewachsen ist.

 

Trainiert wurde im Freien

Um zurück auf den Gebäude Komplex zu kommen, da fragte ich mich, ob das wohl der Jigen-Ryu Dojo ist? Diese Frage wird bis am Abend unbeantwortet bleiben. Sicher ist jedoch, dass die bereits vorbereiteten Waffen dort entnommen wurden. Denn ein junger Herr mit weiteren Waffen kommt langsam auf uns zu.

Die an die Bank angelehnten Waffen konnte ich noch nicht alle identifizieren. Ich war gespannt wozu all diese eingesetzt werden.

 

Unser Sensei stand mittlerweile neben uns und wir begrüssten uns auf die traditionelle japanische Art. Ich war sehr überrascht, denn unser japanische Lehrer war bestimmt keine 30 Jahre und jünger als wir. Ich konnte aber in Erfahrung bringen, dass sein Meister aus beruflichen Gründen kaum noch Zeit findet sich dem Jigen-Ryu Stil zu widmen. Daher wurde ihm die Ehre erwiesen als technischer Lehrer den Nodachi Jigen Ryu Stil zu unterrichten. Die gesamte Schule umfasst in etwa 5 Schüler, 2 davon werden als Senioren Schüler betitelt. Auf Rückfrage, nur so wenige Schüler diese Schule besuchen, bekam ich die Antwort:
Ihr traditionelles Training sei nichts für die jungen Japaner. Es sei zu hart und insbesondere die ersten 3 Jahre zu einseitig. Es gäbe viele Repetitionen und Detailarbeit, die junge Schüler rasch an ihre Grenzen bringen würde. Ebenfalls haben ich erfahren, dass das Nodachi Jigen Ryu Training normalerweise immer unter freiem Himmel stattfinde, auch dies sei ein Grund das einige Japaner kein Interesse hätten.

Weshalb das Training unter freiem Himmel durchgeführt wird, dass werde ich noch genug früh in Erfahrung bringen. Dazu komme ich später nochmals zurück. Bei dieser schmorenden Hitze wäre mir eigentlich ein klimatisierter Raum um einiges lieber gewesen, jedoch bei dieser perfekten Kulisse vergesse ich dies schnell. Gleichzeitig bot sich auch für die Museumbesucher eine Samurai Show, die den Besuchern zeigte wie ein Europäer von einem japanischen Samurai zu Kotletten verarbeitet wurde …..schmunzel.
Naja, der eine oder andere Besucher hatte da schon ein wenig nachdenklich hingeschaut und sich gefragt, warum tun sich diese Leute nur sowas an?

Die Trainingslektion wurde äusserst gut vorbereitet und war sehr abwechslungsreich gestaltet. In den kleineren Pausen gab es detaillierte Hintergründe zu den Bewegungen und Techniken des Jigenryus. Ein sehr sonderbarer und einzigartiger Schwertstil, denn ich dank meines japanischen Freundes, erleben konnte wie ein richtiger Japaner. Dieser hatte mir die japanischen Worte des Sensei`s in die englische Sprache übersetzte, so dass ich Fragen stellen konnte und diese auch auf Englisch beantwortet bekam. Unter all diesen Fragen und Erklärungen durften natürlich auch die historischen Geschichten aus dem alten Japan nicht fehlen. Nähere Details folgen.

Zuerst mussten wir als erstes unsere Trainingsumgebung einrichten. In einem kleinen Gebäude, gleich nebenan, befanden sich noch die restlichen Utensilien die wir für die nächsten 3h benötigt würden. Dabei handelte es sich um zwei Holzständer und einen Bund mit längeren Ästen, die wir zwischen den beiden Böcke platzierten.

 

Lauter krafvoller Kiai

Alles wirkte eher unüblich im Gegensatz zu anderen Schwertstilen, markant war aber auf jeden Fall der einzigartige Schwerthieb, den ich so noch nie gesehen habe. Ein äusserst kräftiger Schwerthieb unterstützt von einem Schrei, der mich doch sehr beeindruckte. Sonderbar, vielleicht etwas sehr unüblich dennoch spannend.
Gewalt voll mit einem brüllenden Kiai rannte der Sensai mit einem Holzstock auf den Bündel Äste zu. In einem tiefen und schleifenden Gang stoppte er und schmetterte den Stock auf die Äste ein, bis sein Kiai verstummte. Der Hieb war extrem kraftvoll ausgeführt und brachte die ganze Holzvorrichtung zum Zittern.
Die Idee dieses kraftvollen Hiebes lag darin, mit einem einzigen Katanahieb seinen Gegner in 2 Hälften, wortwörtlich "zu zerschlagen". Das Kiai sollte solange andauern, bis alle Gegner zur Strecke gebracht wurden oder der gegnerische Hieb das eigene Leben beendete (bei Luftmangel bitte atmen). Die Technik wurde soweit ausgefeilt, dass ein Katana Block nicht mehr möglich war.

Dieser Schrei war ziemlich beeindruckend und zu Schlachtfeldzeiten bestimmt auch angsteinflössend. Stellt man sich das mal bildlich vor:
Du stehst auf dem Schlachtfeld, aufgeregt und ängstlich wartend auf deine Gegner und was begegnest du? Eine wild gewordene, wie am Spiess schreiende Horde Samurais mit überdimensionalen Schwertern auf dich zu rennend. Der Schrei nahm den Samurais die Angst vor dem Tod und verlieh einen zusätzlichen Adrenalinschub der alle Kraftreserven mobilisieren konnte. Man kann sich das wahrscheinlich wie eine Art kämpfender Trancezustand vorstellen, der bestimmt auch einen psychologischen Aspekt hatte (wie man ihn z.B. von den Maoris kennt).

Nicht nur der Schlachtschrei war äusserst einzigartig, auch die Art der Schwertführung, in einer Weise, wie ich es bis anhin noch nie gesehen habe. Jede Bewegung, Hand- und Fussstellung, Körperhaltung und jede restliche erdenkliche Tat war dem Schlachtfeld angepasst. Hier gab es keine akrobatische Showeinlagen wie Drehkicks, Überschläge oder andere kräfteraubende Bewegungen. Die damalige Zeit war ganz anders, bedingungsloser, kaltblütiger und brutaler aber auch äusserst anstrengend. Keine Zeit für unnötige Aktionen, denn man musste mit möglichst wenig Bewegungsaufwand maximalen Schaden erzeugen. Dies war unter den gegebenen Umständen und den, doch eher schwereren Samurai Rüstungen, die einzige Möglichkeit einen mehrstündigen Kampf zu überleben. Ansonsten wäre man innert kürzester Zeit vor Erschöpfung zusammengebrochen.

 

Begrüssung

Einige Punkte waren sehr ungewohnt und neu. Dazu gehörte auch die Begrüssung in der Hocke mit Zeigfinger und Daumen zum Bodengerichtet.

 

Grundstellung (Kamae)

Auch die Grundstellung in Nodachi Jigen-Ryu ist sehr speziell, dabei wird die Schwertspitze hoch in den Himmel gehalten während die Ellenbogen nahe am Körper liegen sollten.

Grund, für diese am Oberkörper eng gehaltene Schwertstellung, waren die beschränkten Platzverhältnisse auf den Schlachtfeldern und die direkte Krafteinleitung in das Schwert. Das Schwert wird deshalb so weit hochgehalten, um den maximalen, zu Verfügung stehende Platz für den Schwerthieb zu nutzen.

Auch wie die Klinge auf den Gegner eintreffen sollte wurde mir genaustens erklärt. Auf den ersten Blick scheint es sich um einen diagonalen Hieb auf den Hals des Gegners zu handeln. In Wahrheit weicht die Bewegung etwas davon ab. Zwar wird die Klinge zu Beginn diagonal auf den Hals eingeleitet (dies deshalb, weil dort der Samurai, nach Aussage des Senseis, am schlechtesten gepanzert war), jedoch danach in einer kleinen Schwenkbewegung vertikal in den Körper des Gegners eingeleitet.

Darauf folgte eine hämmernde links rechts Kombination die so stark ausgeführt wurde, dass es dem Gegner nicht mehr möglich war den Hieb mit seinem eigenen Schwert zu blockieren.
Um uns nun so richtig ins Schwitzen zu bringen, durften auch wir mit einem Holzknüppel so richtig drauf los hämmern. Naja, dass hört sich so einfach an, jedoch war dies auf keinen Fall so einfach wie es aussah.

Da das Nodachi Schwert länger und schwerer war als ein normales Katana, brachte das Nodachi eine viel grössere Krafteinwirkung mit sich, forderte jedoch auch mehr Kraftaufwand für die Schwertführung. Der brachiale Schwerthieb schaffte es manchmal, die gegnerische Rüstung in einem Hieb zu durchschlagen.
In der Jigen Ryu Schule wird unglaublich viel Zeit in diesen einzigartigen Schwerthieb investiert. Auch wurde im Training darauf geachtet, dass der Hieb rüstungsdurchbrechend durchgezogen wurde. Dazu wird bei jedem Hieb das Bokken bis zu Ende geführt. Das heisst, entweder wird der Hieb von den querliegenden Ästen gestoppt und abgefedert (was den Einschlag auf einen Körper simulieren sollte) oder der Stock wird bis zum Boden durchgeschlagen.

 

Verwendung eines einfacher und dicker Stocks

Aus diesem Grund wird in Nodachi Jigen-Ryu ein einfacher und dicker Holzstock verwendet und kein klassisches Bokken. Dies wäre zu schade für das gute Stück.

Unser Sensei hat uns auch erzählt, dass dieser Bodenschlag auch der Grund sei das sie bei öffentlichen Vorführungen in Gebäuden nicht mehr eingeladen werden… schmunzel. Ganz ehrlich, mich verwundert dies nicht.
Ich möchte nicht wissen wie viele Löcher schon in den Boden geschlagen wurden.

 

Um die maximale Hiebkraft zu erzielen, lässt sich der Samurai aus einer halb aufrechten Position in eine kniebeugende tiefe Stellung fallen.

 

Fusstellung der Nodachi Jigen Ryu

Die Fussstellung hatte einen interessanten Aspekt wie ich von Sensei erfahren konnte. Diese befinden sich beim Aufschlag in einer Linie zum Holzstock bzw. zum Katana. Nur so sei es möglich die gesamte Körperkraft über die Stärkelinie durch das Schwert in den Gegner zu führen. Beim Betrachten scheint dies keine grosse Herausforderung zu sein. In der Praxis jedoch zeigte sich dieser Hieb als höchst anspruchsvoll und forderte den vollen Körpereinsatz. Denn die tiefe Körperhaltung auf den Zehenspitzen in Kombination mit dem, in einer Linie stehenden Fussstellung, fühlte sich doch eher instabil an. Eine korrekte Ausführung fordert viel Übung und Kraft in den Beinen. Laut Aussage von Sensei, soll die auf den Zehenspitzen landende Fussstellung eine Art Federbewegung hervorrufen. Diese ermöglichte es dem Samurai von der einen Position in die andere zu springen.

Fusstellung des Nodachi Jigen-Ryu Stils

Da diese Fusstellung doch sehr viel Übung benötigt und ich herausfinden wollte, ob diese in allen Jigen-Ryu Stilen angewendet wird, habe ich etwas nach recherchiert. Ich konnte feststellen, dass es da doch einige kleine Abweichung gibt und habe versucht diese mit mehreren Selbstversuchen nachzuvollziehen. Ich bin der Meinung, dass die oft gesehene Fussstellung mir doch immens mehr Stabilität geboten hat, als die erste. Dies deshalb, weil der vordere Fuss leicht abgewinkelt und komplett auf dem Boden stehend mir mehr Stabilität gab. Was jedoch durch die Versuche auch klar wurde, dass sich durch die Nodachi Fusstellung das Springen in die jeweiligen Positionen viel dynamischer anfühlte. Dennoch würde ich es wagen zu behaupten, dass bei unebenem Untergrund die Gefahr relativ gross ist, sich den Fuss zu verknacksen.

Was richtig oder falsch ist, sollen andere beurteilen, ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass es sich bei der einen Fussstellung vielleicht um eine Anfänger Version handelt.

Fusstellung anderer Jigen-Ryu Stile

Dieser Kniebeuge - Sprung führte zu einem beachtlichen Aufprallkraft des Holzstockes. Das Wiederaufziehen des Schwerthiebes wird direkt dafür genutzt in die nächste Position zu hüpfen. Ist ein Gegner zu weit weg für den nächsten Sprung, bewegt sich der Samurai in einer Art kleinen Sprintgang zum nächsten Gegner. Unsere Sensei hat uns darauf hingewiesen, dass wir bei der Sprintbewegung den hinteren Fussrücken am Boden entlang ziehen sollen. Weshalb, konnte ich leider nicht mehr in Erfahrung bringen. Vielleicht war dies so eine Art Dehnübung für die Füsse. Vielleicht werde ich ein andermal mehr darüber in Erfahrung bringen können.

Eines wurde mir jedoch bewusst, es wurde sehr grossen Wert auf die Bewegungsabläufe gelegt, die bestimmt einige Jahre Training benötigen, um sie perfekt ausführen zu können. Insbesondere das Balancegefühl zu finden bei einem Nodachi Schwert könnte in sich schon eine Lebensaufgabe sein.

Insgesamt betrachtet konnte man in jeder Bewegung die tiefe Verbundenheit zu den Schlachtfeldzeiten spüren. Ein Samurai muss davon ausgehen, dass bereits der erste Hieb der letzte sein könnte. Deshalb scheint der Jigen-Ryu Stil grössten Wert darauf zu legen diesen zu perfektionieren und die Überlegenheit durch das Nodachi-Schwert voll auszunützen.
Der Samurai musste sich mental voll und ganz auf diesen einen Hieb fokussieren, in der Hoffnung, mit einem nächsten Hieb einen zweiten, eine dritten usw. Gegner zu erwischen. Das Mind-Set fokussierte sich voll und ganz auf einen zerschlagenden ersten Hieb bis zum Tode. Wie bereits erwähnt, ist der Weg zu diesem perfekten Katana-Hieb in Jigen Ryu Schule ein langer. Ein Anfänger wird mindestens 3 Jahre dazu verdonnert die erwähnte links rechts Kombination in Verbindung mit der Sprungtechnik zu perfektionieren, bevor er den Pfad des Bushido weitergehen kann. Nicht nur dies ist der Grund, dass die Schule immer weniger Schüler findet, sondern auch die Härte und die körperliche Züchtigung tragen da einen grossen Teil mit dazu bei. Die Grundtechnik besteht aus traditioneller Sicht nur aus einer links rechts Schwerthiebkombination.
Ich habe Jigen Ryu Stil als einen kraftvollen Stil kennen gelernt, der sich noch sehr authentisch an den Schlachtfeldgegebenheiten orientiert. Die Krieger hatten durch das längere Schwert einen erheblichen Vorteil gegenüber anderen Samurais (abgesehen von den Samuraikriegern, die mit Naginatas oder Yaris kämpften). Der Stil ist ausschliesslich offensiv ausgerichtet und bietet durch ihre schnellen rechts links Kombinationen erschwerte Chancen für den Gegner näher zu kommen. Auch spielte die Zusammenarbeit mit den verbündeten Samurais eine zentrale Rolle und diente alle lebensrettende Strategie.


Die Sprints, Kombinationen und Schreie haben schon fast etwas von einer amokartigen Angriffsstrategie. Es gab nur ein vorwärts, eine direkte Konfrontation mit dem Gegner, dem es galt mit voller Energie und Selbstvertrauen gegenüber zu treten. Solche angsteinflössenden/psychologischen Taktiken kennt man ja auch aus anderen Völkern wie z.B die Berserker mit ihren Wolfanzügen oder den Maoris mit ihrer Haka (Kampftanz).


Wie beim Motoha Yoshin Ryu ist auch im Nodachi Jigen Ryu jeder Block- beziehungsweise Verteidigungsbewegung eine direkter Angriff auf den Gegner. Es wird keine Zeit verschwendet sich mit unnötigen Bewegungsabfolgen herumzuschlagen, denn diese könnten auf dem Schlachtfeld tödlich enden. Auch da bietet das verlängerte Katana einen grossen Vorteil im Schlachtfeld, denn Angreifer mit kleineren Schwertern haben eine erschwerte Ausweichsituation im Kampf.

 

Angriff von unten nach oben

Auch ein paar klassische Angriffstechniken gegen Naginata Angriffe durften nicht fehlen. Diese konnten wir direkt selbst ausführen. Das Ziel war es, denn Gegner an der Hand zu erwischen, denn diese war aus Sicht des Schwertträgers, das am naheliegendste Ziel des Gegners, das es zu verletzen galt. Den richtigen Zeitpunkt gegen einen erfahrenen Naginata-Kämpfer zu erwischen ist äusserst anspruchsvoll und benötigt viel Übung. Ich habe am eigenen Leibe erfahren wie schwer es ist an den Gegner ran zu kommen ohne zuvor selbst getroffen zu werden.
Was mich besonders überraschte war, der tiefe Angriff von unten nach oben. Der tatsächliche Eingang an den Gegner heran war wahrscheinlich bedeutend tiefer als auf dem Bild dargestellt. Die Köperhaltung war stark nach vorne gerichtet, um den Gegner gerade noch mit der Schwertspitze an der Hand zu verletzen. In einem zweiten Schritt läuft man mit dem Katana an den Gegner heran, um den Kampf dann mit einem finalen Cut zu beenden. Die Körperhaltung fühlte sich äusserst sonderbar an, ich bin mir bis heute noch nicht ganz sicher, ob die weite Fussstellung für eine raschen Rückschritt aus der Gefahrenzone gedacht ist, oder ob diese wirklich gut für einen offensiven Angriff ist. Aber ein Zurück sollte es ja auf dem Schlachtfeld nicht geben.

Wichtig bei diesem Verteidigungsangriff gegen eine Naginata ist, dass sich das Schwert oberhalb des Kopfes befindet. Dies deshalb, da das Schwert gleichzeitig wie ein Schild zur Abwehr und Schutz des eigenen Körpers diente und man sich gleichzeitig in einer Angriffsposition befindet.
Aus dieser Körperstellung ist es auch möglich einen Lanzenstich abzuwehren. Ein erfahrener Samurai könnte sogar in einem Schwung eine Kerbe in den Naginatagriff ein zu schlagen und dem Gegner die Waffe über das eigene Schwert aus der Hand ziehen.

Das Training steuerte langsam aber sicher dem Ende zu und dies in jeder Hinsicht. Den das Wetter brannte auf mich nieder und der Schweiss strömte herunter wie ein Wasserfall.

 

Schnittübung

Eine äusserst spannende Übung durfte zu guter Letzt nicht fehlen. Hier ging es darum, Gelerntes vom heutigen Tag in einer Übung zu verbinden. Eine Kombinationsübung aus Schwerthieb, Schritt-und Sprungfolge.

Als nächstes folgten schnelle Kombinationsübungen. Für diese Übung wurden mehrere Holzstöcke vertikal in den Rasen gesteckt und «on the top» ein Hut drauf gesetzt. Nun sollten wir in einem Kombinationsangriff die Hüte von den Stöcken fegen. Der Angriff sollte mit dem eben erlernten Sprint und Sprung erfolgen. Bei richtigem Ausüben der Bewegung sollten die Hüte vertikal in die Lüfte fliegen.

Ihr könnt mir glauben, dass war kein Kinderspiel. Leider ging auch die Energie wie auch die Zeit zu Ende und die Übung weiter auszufeilen. Ich hoffe ich kriege irgendwann mal die Möglichkeit bei mir zuhause. Mal schauen ob ich dann auch so Schreien werde bis alle Hüte von den Pfösten geflogen sind.

Zu guter letzte wollte es dann derSensei nochmals so richtig wissen. Der Sensei ging nun zum nebenanstehenden Schuppen und fasste sich eine, naja wie soll ich das beschreiben, überdimensionale Keule wie man sie vielleicht aus der Steinzeit kennt. Nur war diese noch mehr in die Länge gezogen und sah ziemlich angsteinflössend aus. Na gut, da musst du nun durch, der kleine Japaner wird mir nun so richtig den A… versohlen …grins…

In dieser letzten Übung sollten nun meine letzte vorhandene Energie aus meinem Körper herausbeschwört werden. Alle Waffen wahren bis anhin sehr spartanisch einfach gehalten und äusserst effektiv. Auch dieser 12kg schwere Keule hat ihren Zweck erfüllt, denn sie wollte mal so richtig gegen die querliegenden Äste geschmettert werden. Diese Keule habe ich dann noch so richtig den Rest gegeben, oder die Keule mir? Naja, auf alle Fälle ging bei mir dann danach nichts mehr.

 

Fazit

Insgesamt war es ein äusserst interessanter Tag mit vielen neuen Erkenntnissen.

  • Ein Tag, der mir das Gefühl gab ein Teil der Samurai Geschichte zu sein.
  • Ein zurück in die Vergangenheit als das Training dem Schlachtfeld galt.
  • Ein Tag, an dem ich ins Schwitzten kam, wie nie zuvor.
  • Ein Tag, in einer Kulisse voller Historie.
  • Ein Tag, den ich nie vergessen werde.

Danke an alle die mir diesen äusserst spannenden Tag ermöglicht haben.

 

Kontext

Nodachi Jigen Ryu ist traditioneller japanischer Schwertstil der Jigen Ryu Linie und hat daher die meisten Ähnlichkeiten mit den anderen traditionellen Schwertstilen aus Japan, wie der Katori Shinto Ryu oder der Hokushin Itto Ryu. Auch moderne Kampkünste wie Kendo und Iaido haben gewisse Ähnlichkeiten. Ähnliche Prinzipien finden sich in fast allen Koryu Schulen wie der Takagi Ryu oder der Motoha Yoshin Ryu.

Liste der Kampfsportarten

 


René Auf der Maur vom Yoshinkan Dojo Zug

Bilder und Zeichnungen: René Auf der Maur